»Krankheit und Behinderung können wirklich jeden treffen, schneller als man denkt«
Maria Langstroff über den Kampf gegen ihre Krankheit,
über alltägliche Diskriminierung und warum sie nie aufgeben wird. Wie sah Ihr Leben vor der Erkrankung aus? Welche Pläne hatten Sie? Ich war schon als Kind ein kleiner Wirbelwind, konnte nie stillsitzen. Ich war sehr sportlich und trainierte mehrmals die Woche Leichtathletik. Seit ich denken kann, wollte ich Lehrerin werden und freute mich sehr auf das Lehramtsstudium. In diesem Rahmen plante ich auch ein Semester im Ausland zu verbringen – daran habe ich mich sehr lange festgehalten. Als sich diese Pläne durch meine Krankheit zerschlugen, hat mich das schwer getroffen. Darüber hinaus sah meine Zukunftsplanung ganz klassisch aus, ich wünschte mir eine Familie und Kinder, ich liebe Kinder. Wann haben Sie von Ihrer Erkrankung erfahren? Wie verlief sie? Aufgrund einer Skoliose hatte ich 2004 zwei große OPs an der Wirbelsäule. 2006, nach zwei weiteren Operationen, bekam ich dann die Diagnose »inkompletter Querschnitt«, was bedeutete, dass ich von diesem Zeitpunkt an auf den Rollstuhl angewiesen sein würde. Meine seltene Muskelerkrankung wurde erst 2010 diagnostiziert, die Ärzte entdeckten sie zufällig, als ich mich nach einer Lungenembolie in einer Reha-Einrichtung aufhielt. Sie konnten mir nur wenig Hoffnung machen, denn die Krankheit nimmt einen schubartigen und fortschreitenden Verlauf. Seit 2010 bin ich bettlägerig und lebe in einem Pflegeheim. Warum haben Sie dieses Buch geschrieben und wann haben Sie damit begonnen? Das war im Mai 2010, zu diesem Zeitpunkt habe ich die ersten Gedanken notiert. Da ich aber schon damals kaum mehr Kraft hatte, mit der rechten Hand zu tippen, habe ich meinen Bruder eingeweiht. Erst dachte er, ich würde scherzen, als ich ihm sagte, ich wolle ein Buch schreiben. Aber dann fand er die Idee gut und hat mir ein Spracherkennungsprogramm geschenkt. Im August 2010 habe ich dann so richtig begonnen, damals war ich noch viel fitter und konnte ein Kapitel in zwei Wochen diktieren. Das hat nach und nach immer mehr Zeit gebraucht. Geschrieben habe ich das Buch aus verschiedenen Gründen. Zum einen, weil ich für Menschen da sein möchte, die eine Behinderung haben oder in irgendeiner Weise erkrankt sind. Ich möchte eine Art Wir-Gefühl schaffen und Menschen eine Stimme geben, die selbst keine Stimme mehr haben. Die keine Möglichkeit mehr haben, sich zu äußern, ich möchte aussprechen, was sonst unausgesprochen bleibt. Das sind zum Beispiel Menschen im Wachkoma: Ich finde es ganz schlimm zu sagen, ach, das ist doch ein Wachkomapatient, der kriegt eh nichts mehr mit. Denn: Wie kann man das wirklich wissen? Für all diese Menschen möchte ich jemand sein, der einmal sagt, wie es wirklich ist, wie ein großer Teil der Menschen mit uns umgeht. Zum anderen möchte ich eben den Leuten, die sich abfällig und diskriminierend verhalten, ob es nun in der Klinik, in Pflegeheimen, auf der Straße oder bei der Deutschen Bahn ist, die Augen öffnen. Ich will, dass sie begreifen, wie verletzend ihr Verhalten ist. Wenn ich nur eine Handvoll Leute zum Nachdenken bringe, habe ich schon viel erreicht. Und Krankheit und Behinderung können schließlich jeden treffen, schneller als man denkt. Warum haben Sie Ihrem Buch den Titel »Mundtot!?« gegeben? Durch die Anfeindungen, die ich erlebt habe, bin ich mundtot gemacht worden. Ich war oft wie starr, hatte keine Möglichkeit zu reagieren. Vieles von dem, was mir Menschen an den Kopf geworfen haben, seitdem ich eine Behinderung habe, hat mich einfach sprachlos gemacht. Aus diesem Grund musste ich über den Titel gar nicht lange nachdenken, er stand für mich schon sehr früh fest. Der Titel steht mit Ausrufezeichen und Fragezeichen, denn zuerst war ich sprachlos, doch mit der Zeit habe ich mich verändert, habe begonnen, aufzubegehren und mich verbal zur Wehr zu setzen. Natürlich hat man auch mal einen schlechten Tag, aber es ist nur noch ganz selten der Fall, dass ich etwas schweigend hinnehme. Heute bin ich nur noch dann mundtot, wenn ich durch einen neuen Schub gerade meine Stimme verloren habe. Wer oder was ist Ihr größter Halt? Das ist an erster Stelle meine Familie, die mir immer beisteht. Aber auch mein Glaube ist mir eine große Stütze und dann sind da natürlich noch meine Freunde. Auch meine jeweiligen Partner haben mir zu bestimmten Zeiten sehr viel Kraft gegeben. Ich denke da besonders an einen, der mir unter anderem beigestanden hat, als ich die Lungenembolie hatte. Er hat damals ganz schnell reagiert und Hilfe geholt, sonst wäre ich heute vermutlich nicht mehr hier. Ich verdanke diesem Menschen sehr viel. Obwohl wir inzwischen nicht mehr zusammen sind, meldet er sich bei mir und wir verstehen uns immer noch sehr gut. Er lebt mittlerweile im Ausland und hat eine neue Partnerin, steht aber trotzdem noch immer hinter mir und gibt mir Halt. Sie sagen, dass Ihre Angehörigen ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen sollen. Woher nehmen Sie in Ihrer Situation die Kraft, so selbstlos zu sein? Das werde ich oft gefragt, aber ich möchte natürlich, dass es meinen Angehörigen gut geht. Meine Familie gibt mir unheimlich viel Kraft und indem ich sage, sie sollen möglichst normal weiterleben und ein schönes Leben führen, auch ohne mich, gebe ich ihnen lediglich etwas von dem zurück, was sie mir gegeben haben. Ich möchte nicht, dass sie leiden, die Situation ist schwierig genug und ich möchte es ihnen so leicht wie möglich machen, sofern sich das gestalten lässt. Wie haben Sie behinderte Menschen wahrgenommen, als Sie es selbst noch nicht waren? Ich habe immer versucht, ganz normal mit Menschen mit Behinderung umzugehen, einfach weil meine Eltern mir beigebracht haben, dass sie Menschen wie du und ich sind, sich ihre Einschränkung nicht ausgesucht haben und nicht weniger wert sind als alle anderen Menschen auf dieser Welt. Allerdings war mir, bevor ich selbst in den Rollstuhl gekommen bin, nicht bewusst, wie unsere Gesellschaft sich ihnen gegenüber verhält. Ich gebe zu, für mich war das nie ein Thema. Wenn mir jemand erzählt hätte, dass sie so abschätzig und achtlos behandelt werden, hätte ich es nicht für wahr gehalten. Hier zeigt sich, dass das Problem Behindertenfeindlichkeit immer noch nicht im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist und kaum diskutiert wird, was sich schnellstens ändern muss. Woher, denken Sie, kommen die Vorurteile und Aggressionen gegenüber Behinderten? Steckt da auch die Angst vor der eigenen Hilflosigkeit dahinter? Ich glaube schon, dass es Leute gibt, die unsicher sind. Leute, die im Umgang mit behinderten Menschen Angst haben, etwas falsch zu machen. Es gibt ja auch immer wieder behinderte oder eingeschränkte Menschen, die angebotene Hilfe harsch zurückweisen, da sie sie als Bevormundung ansehen. Wenn ich eine solche Situation beobachte, denke ich mir immer: Vielen Dank! Das könnte das letzte Mal gewesen sein, dass diese Person Hilfe angeboten hat, weil sie sich von nun an nicht mehr traut. Und deshalb versuche ich in meinem Buch zu differenzieren zwischen Leuten, die diskriminieren, und Leuten, die so unsicher sind, dass sie nicht handeln. Leute, die diskriminieren, sind die, die Sprüche bringen, die verletzend sind, oder sogar körperlich attackieren. Wer unsicher ist, bietet zwar von sich aus keine Hilfe an, aber er verletzt auch nicht verbal oder körperlich. Welche Erfahrungen haben Sie als Mensch mit Behinderung im Alltag gemacht? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mich verbal angreift, dass man mich als »Spasti« oder »Krüppel« bezeichnet. Einmal hat mir ein Autofahrer die Hilfe verweigert, als ich aus dem Rollstuhl auf die Straße gestürzt bin. Bei der Deutschen Bahn habe ich in Eiseskälte Stunden auf einen Zug gewartet, weil keiner der ankommenden Züge eine Rampe dabei hatte und der Zugbegleiter verweigerte, dass Mitbürger mich hineintragen. Das sind nur einige Situationen, von denen ich in meinem Buch erzähle. Zum Glück habe ich auch positive Erfahrungen gemacht. Sehr gern denke ich an meine Schulpraktischen Studien zurück, meine Schüler waren ganz wundervoll, und zwar alle Jahrgänge, in denen ich unterrichtete. Sie haben nie meinen Rollstuhl in den Vordergrund gestellt, sie haben mich, meiner Ansicht nach, als Mensch akzeptiert. Ich habe stets versucht, meinen Schülern Respekt entgegenzubringen, und bin in der Schule auch dementsprechend behandelt worden. Das war eine unheimlich tolle, positive Zeit. Wie reagieren Sie auf diskriminierende Äußerungen? Früher war ich vollkommen baff, sehr sprachlos, mundtot eben. Zu dieser Zeit war ich aber auch noch sehr schüchtern, habe oft geweint, viel an mir gezweifelt und bin fast in eine Depression verfallen. Damals war allein die Situation schon schwierig genug für mich, ich saß im Rollstuhl und ich wollte das alles nicht wahrhaben. Ich habe meinen Rollstuhl absolut gehasst, erst später bin ich durch die Therapie mit mir ins Reine gekommen und konnte den Rollstuhl als meinen Begleiter annehmen. Heute denke ich mir, dass die Menschen, die sich so äußern, froh sein sollten, dass sie gesund sind, ihr Leben leben und zur Arbeit gehen können, und das sage ich ihnen auch. Inzwischen frage ich auch, warum sie sich abwertend verhalten, ich bin dahingehend mittlerweile viel selbstbewusster. Natürlich gibt es Momente, in denen auch bei mir die Tränen fließen, weil eben nicht jeder Tag gleich ist, aber generell bin ich um einiges stärker geworden. Stehen Sie in engem Kontakt mit Menschen, die Ihr Schicksal teilen? Tauschen Sie sich untereinander aus? Ja und nein. Es gibt ja nicht so viele Betroffene, die genau meine Krankheit haben, da sie sehr, sehr selten ist. Aber natürlich tausche ich mich auch mit Menschen aus, die eine Behinderung oder Erkrankung haben und frage sie nach ihren Erfahrungen. Wobei ich sagen möchte, dass die Krankheit, das Handicap an sich nicht Hauptbestandteil unserer Gespräche ist. Außerdem es ist nicht so, dass ich diesen Austausch ganz bewusst initiiere. Es kommt eher zufällig dazu, genau wie die Unterhaltungen mit gesunden Menschen auch. Sie sagen, dass die Religion eine große Stütze für Sie ist. Hat sich Ihr Glaube seit Ihrer Erkrankung verändert? Ja, ich glaube an Gott. Aber um ehrlich zu sein erst richtig, seitdem ich so krank bin. In gewisser Weise habe ich auch vorher schon einen Glauben gehabt, der allerdings nicht sonderlich ausgeprägt war. Jetzt habe ich einen starken Glauben, der mir in meiner Situation unheimlich hilft. Ich bin davon überzeugt, dass ich ohne meinen Glauben viel schwächer wäre und nicht so viel aushalten könnte. Und auch meine Eltern haben seit meiner Krankheit an Glauben dazu gewonnen, weil sie wissen, dass er mir Halt gibt und auch sie daraus Kraft ziehen können. Wie wichtig ist Ihnen Ihr Studium? Sehr wichtig, neben meinem Buch und mal abgesehen von meiner Familie und meinen Freunden ist es das Wichtigste. Das Lehramtsstudium ist das, was ich schon immer machen wollte, ich wollte mein ganzes Leben Lehrerin werden. Und wenn es auch sehr viel Arbeit bedeutet – in den Fächern Anglistik und Germanistik muss man zum Beispiel unheimlich viel lesen –, ist es für mich das Nonplusultra. Meine Kommilitonen, meine Dozenten und das Umfeld an sich haben mir schon oft gesagt, wie toll es ist, dass ich mich so engagiere, sie meinen, sie hätten in meiner Situation schon längst aufgegeben. Zu meinen Professoren habe ich inzwischen ein sehr persönliches Verhältnis aufgebaut, sie schicken mir die Arbeitsmaterialien zu, besuchen mich im Pflegeheim und nehmen mir die Prüfungen ab – dabei bestehe ich darauf, dass ich genauso bewertet werde wie meine Kommilitonen. Denn wenn ich etwas mache, dann richtig, egal, wie es mir geht. Eine Dozentin hat einmal zu mir gesagt, dass ich ihr und allen gezeigt hätte, wie sehr man sein Leben leben könne, selbst wenn man so krank sei und einem jeder Arzt sagen würde, dass es jeden Tag vorbei sein könne. Wie war es Ihnen rein körperlich möglich, dieses Buch zu schreiben? Es gab natürlich auch Schübe, bei denen ich dachte: Jetzt ist gut, jetzt will ich nicht mehr! Doch dann kam immer wieder der Moment, in dem mir klar wurde: Doch! Ich schreibe ein Buch und ich schreibe es zu Ende. Punkt. Ich habe natürlich mehrere Personen gehabt, die mich unterstützt haben, vor allem ist hier mein Papa zu nennen. Aufgrund meiner Krankheit und ihres Verlaufs musste ich beim Verfassen des Buches immer wieder die Strategie wechseln. Zuerst habe ich mit einem Spracherkennungsprogramm gearbeitet und nachdem ich zeitweise meine Sprache verloren habe, entwickelte ich die Strategie einzelne Textteile in mein Handy zu tippen und per SMS zu versenden. Mein Vater hat jede einzelne SMS im Zwei-Finger-System für mich abgetippt. Zuletzt, als ich weitere Lähmungserscheinungen im rechten Arm bekommen habe, habe ich mit meinem Vater vereinbart, dass ich ihm den Text telefonisch durchgebe. Das Buch sollte fertig werden und so habe ich ihm jeden Tag zwei Stunden Satz für Satz ins Telefon diktiert. Das war sehr mühevoll und hat uns alle viel Kraft gekostet, ganz besonders muss ich dafür meinem Vater danken. Haben Sie sich durch die Krankheit verändert? War die alte Maria anders? Ja, auf jeden Fall! Natürlich war sie auf der einen Seite mehr auf Zack, sie war sehr sportlich, fegte immer wie ein Wirbelwind durch die Wohnung. Auf der anderen Seite war die alte Maria sehr schüchtern, unsicher und hat sehr oft mit sich gehadert. Sie sah auch anders aus, hatte ganz schwarze Haare. Doch seit sie im Rollstuhl sitzt, genauer und vor allem seit der zweiten Therapie, bei der sie gelernt hat, sich durchzusetzen, hat sich Maria immer weiter verändert und ist, seitdem sie gelernt hat, ihre Stimme zu erheben, blond. Mit der Erkrankung und steigendem Selbstbewusstsein hat sie sich vom Alten losgelöst. Die Maria von heute ist viel selbstbewusster, sie sagt geradeheraus, wenn ihr etwas nicht passt und kann auch schon mal böse werden. Zugleich ist sie ruhiger und gelassener geworden, sie kann jetzt sagen: Okay, manche Träume haben sich nicht erfüllt, sie sollten einfach nicht sein. Vor Kurzem war ein Ergotherapeut bei mir, den ich kennengelernt habe, als ich in den Rollstuhl gekommen bin. Er konnte beobachten, wie aus der kleinen, schüchternen Maria eine starke, selbstbewusste junge Frau geworden ist. Mein Motto ist heute ein Satz von Goethe: »Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.« Wie geht es Ihnen heute? Ich denke, dass ich meine Krankheit mittlerweile ganz gut verarbeitet habe, besser damit umgehen kann. Natürlich gerate ich an manchen Tagen, bei einem neuen Schub, noch immer in ein Tief, aber das hält nicht mehr so lange an und ich versuche, mich selbst wieder herauszuziehen. Früher hatte ich dafür die Unterstützung eines Therapeuten, habe mit ihm zusammengearbeitet, heute schaffe ich das allein, habe meine eigenen Methoden. Ich frage inzwischen nicht mehr nach dem Warum, denn darauf bekomme ich sowieso keine Antwort. Wenn man den Verlauf meiner Krankheit betrachtet, sieht, wie es mir heute geht, muss man ganz klar sagen, dass es immer schlechter wird. Das ist mir einerseits bewusst, andererseits gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sich meine gesundheitliche Situation doch noch bessern wird. Vielleicht geschieht ein Wunder. Daher versuche ich immer, mich auf die positiven Dinge zu konzentrieren. Aufgeben? Nein, niemals! Das ist ein Fremdwort für mich! Was sind Ihre Wünsche und Träume? Natürlich ist es mein Wunsch, dass sich das Buch gut verkauft, um Menschen zu erreichen, so viele Menschen wie möglich, damit sich etwas verändert. Ich möchte Individuen helfen, die eingeschränkt sind, ihnen Kraft geben. Gerne würde ich weitere Projekte starten – welche Ideen mir durch den Kopf gehen, bleibt vorerst noch ein Geheimnis. Weiterhin möchte ich versuchen, mein Studium bis zum Ende durchzuziehen, die Frage ist natürlich, ob das zu schaffen ist. Es gibt Ärzte, die zwar meinen, dass das sehr schwer sei, dass ich aber schon so oft gekämpft und viele Ziele erreicht habe. Die meisten Leute sagen aber: Lass es! Unter ihnen sind auch diejenigen, die meinten, dieses Buchprojekt könne ich niemals schaffen – da freut es mich natürlich besonders, sie eines Besseren belehren zu können … |
Meine Muskelerkrankung wurde erst 2010 diagnostiziert, die Ärzte entdeckten sie zufällig, als ich mich nach einer Lungenembolie in einer Reha-Einrichtung aufhielt. Sie konnten mir nur wenig Hoffnung machen, denn die Krankheit nimmt einen schubartigen und fortschreitenden Verlauf. Seit 2010 bin ich bettlägerig und lebe in einem Pflegeheim.
Durch die Anfeindungen, die ich erlebt habe, bin ich mundtot gemacht worden. Ich war oft wie starr, hatte keine Möglichkeit zu reagieren. Vieles von dem, was mir Menschen an den Kopf geworfen haben, seitdem ich eine Behinderung habe, hat mich einfach sprachlos gemacht.
Bei der Deutschen Bahn habe ich in Eiseskälte Stunden auf einen Zug gewartet, weil keiner der ankommenden Züge eine Rampe dabei hatte und der Zugbegleiter verweigerte, dass Mitbürger mich hineintragen. Das sind nur einige Situationen, von denen ich in meinem Buch erzähle.
Zum Glück habe ich auch positive Erfahrungen gemacht. Meine Schüler waren ganz wundervoll, und zwar alle Jahrgänge, in denen ich unterrichtete. Sie haben nie meinen Rollstuhl in den Vordergrund gestellt, sie haben mich, meiner Ansicht nach, als Mensch akzeptiert.
Die Maria von heute ist viel selbstbewusster, sie sagt geradeheraus, wenn ihr etwas nicht passt und kann auch schon mal böse werden. Zugleich ist sie ruhiger und gelassener geworden, sie kann jetzt sagen: Okay, manche Träume haben sich nicht erfüllt, sie sollten einfach nicht sein.
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